Familienrecht Kindes- und Ehegattenunterhalt // (allgemeine Darstellung der Berechnung)
I. Allgemeines
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung
Ø erlischt die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern nicht bereits mit dem 18. Lebensjahr. Sie dauert vielmehr bis zum Abschluss einer Ausbildung fort. Dies kann eine Lehre, eine Lehre mit anschließendem Studium, ein Studium, gegebenenfalls sogar ein „Zweitstudium“ sein (Das Kind studiert zunächst Medizin, um sich dann auf Kieferchirurgie zu spezialisieren. Es studiert zunächst Medizin, um danach Jura zu studieren und sich hier auf Medizinrecht zu spezialisieren.)
Ø besteht die Unterhaltspflicht nicht nur gegenüber Kindern: Auch die Kinder können gegenüber Eltern zum Unterhalt verpflichtet sein. Ehegatten schulden sich untereinander Unterhalt – dies sowohl zu Zeiten einer bestehenden Ehe, aber auch während Trennung und gegebenenfalls noch nach der Scheidung.
Auch Verwandte in gerader Linie (Großvater, Vater, Enkel) sind untereinander zum Unterhalt verpflichtet.
Nachfolgend wollen wir Ihnen die Herangehensweise der Feststellung / Ermittlung eines Kindesunterhaltsanspruches sowie des Unterhaltsanspruches von Eheleuten erläutern.
Dabei dürfen wir mit dem Kindesunterhaltsanspruch beginnen, da der Unterhaltsanspruch gegenüber den minderjährigen Kindern Vorrang vor dem Unterhaltsanspruch von Eheleuten hat und entsprechende Unterhaltspflichten einkunftsmindernd bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt abzuziehen sind.
II. Kindesunterhalt
1. Der Kindesunterhaltsanspruch ist abhängig
Ø vom Alter des Kindes;
Ø vom Einkommen des Unterhaltsverpflichteten;
Ø von der Anzahl der unterhaltsverpflichteten Personen.
Er bestimmt sich unter Anwendung der sogenannten „Düsseldorfer Tabelle“. Zu Ihrer Kenntnis dürfen wir die aktuell zum Jahr 2011 geänderte Tabelle beifügen.
Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen |
Altersstufen in Jahren (§ 1612 a Abs. 1 BGB) |
Prozentsatz | Bedarfskontrollbetrag | ||||
0-5 | 6-11 | 12-17 | ab 18 | ||||
Alle Beträge in Euro | |||||||
1. | bis 1.500 | 317 | 364 | 426 | 488 | 100 | 770/950 |
2. | 1.501-1.900 | 333 | 383 | 448 | 513 | 105 | 1.050 |
3. | 1.901-2.300 | 349 | 401 | 469 | 537 | 110 | 1.150 |
4. | 2.301-2.700 | 365 | 419 | 490 | 562 | 115 | 1.250 |
5. | 2.701-3.100 | 381 | 437 | 512 | 586 | 120 | 1.350 |
6. | 3.101-3.500 | 406 | 466 | 546 | 625 | 128 | 1.450 |
7. | 3.501-3.900 | 432 | 496 | 580 | 664 | 136 | 1.550 |
8. | 3.901-4.300 | 457 | 525 | 614 | 703 | 144 | 1.650 |
9. | 4.301-4.700 | 482 | 554 | 648 | 742 | 152 | 1.750 |
10. | 4.701-5.100 | 508 | 583 | 682 | 781 | 160 | 1.850 |
ab 5.101 | nach den Umständen des Falles |
Die Düsseldorfer Tabelle geht grundsätzlich von 3 unterhaltsberechtigten Personen aus – Ehegatte und 2 Kinder. Sind mehrere unterhaltsberechtigte Personen vorhanden, erfolgt eine Abstufung; sind weniger Personen vorhanden, erfolgt eine Höherstufung.
Bis zur Feststellung der Eingruppierung sind jedoch diverse Einzelschritte erforderlich. Diese dürfen wir nachfolgend erläutern.
Bevor wir dies tun, müssen wir jedoch noch auf eines hinweisen:
Unterhaltsverpflichtet sind grundsätzlich beide Eltern. Im Normalfall geschieht dies durch die Betreuung des Kindes. Deswegen spricht man vom sogenannten „Betreuungsunterhalt“. Erst bei Trennung / Scheidung, und nur dann, wenn sich das Kind überwiegend bei einem Elternteil aufhält, entsteht eine Verpflichtung / ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt in Geld, den sogenannten „Barunterhalt“.
Wenn wir insoweit von Kindesunterhalt reden, sprechen wir stets von Barunterhalt.
2. Dies vorangestellt, gilt es in einem ersten Schritt das sogenannte „unterhaltsrechtlich relevante Einkommen“ des unterhaltsverpflichteten Elternteils zu ermitteln.
a) Bei Selbständigen geschieht dies, indem man zunächst einmal das durchschnittliche Einkommen der letzten 3 Jahre mithilfe der Betriebswirtschaftlichen Aufstellung (BWA) ermittelt. Leider können dafür nicht einfach die Zahlen aus der BWA übertragen werden. Das dort ausgewiesene Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ist vielmehr noch bezüglich der Abschreibungen und Rückstellungen zu korrigieren.
Durchschnittliches Einkommen heißt insoweit: Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zuzüglich Abschreibung zuzüglich Rückstellung.
b) Bei Nichtselbständigen ist das letzte Jahreseinkommen zugrunde zu legen.
3. Das ermittelte Ergebnis ist dann um den Kinderfreibetrag und den Betreuungsfreibetrag zu korrigieren. Bei geschiedenen Ehegatten geschieht dies nach dem sogenannten Halbteilungsgrundsatz, in dem nach der Grundregel des § 32 VI 1 EStG jeden Ehegatten der hälftige Freibetrag zugewiesen wird.
4. Von dem so ermittelten Wert sind dann die Steuern, dass heißt Einkommenssteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, abzuziehen.
Dabei kann der Steuersatz nach der Art der Veranlagung variieren: Im Jahr der Trennung können die Ehegatten noch die Zusammenveranlagung wählen und hier gegebenenfalls steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen. Erst ab dem Folgejahr ist zwingend getrennt zu veranlagen.
5. Im nächsten Schritt ist für Selbständige der Mittelwert der einzelnen Jahre zu bilden und dann das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen zu berechnen.
Für Nichtselbständige geschieht dies durch lineare Teilung des ermittelten Jahresnettoeinkommens.
6. In einem abschließenden Schritt ist dann das so genannte bereinigte Nettoeinkommen zu ermitteln.
Da sich Selbstständige anders als Angestellte eigenständig kranken- und rentenversichern müssen, sind die Aufwendungen hierfür zu berücksichtigen und vom Einkommen abzuziehen.
Zu berücksichtigen sind auch Kredite, wenn sie zur Existenzsicherung aufgenommen oder wie z. B. eine Risikolebensversicherung als Bedingung für eine Finanzierung im Zusammenhang mit einer Existenzsicherung vorgegeben wurden.
Ergibt sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von weniger als 950 €, können Sie die Berechnung abbrechen – 950 € ist der sogenannte „Selbstbehalt“, der auch im Zusammenhang mit Unterhaltszahlungen nie genommen werden darf.
7. Ist dies nicht der Fall, müssen Sie in einem nächsten Schritt den Bedarf des Kindes, die grundsätzliche Kindesunterhaltsverpflichtung, ermitteln.
Dies geschieht unter Zugrundelegung der oben abgedruckten Düsseldorfer Tabelle.
8. Der so ermittelte Bedarf des Kindes ist – in einem letzten Schritt – noch einmal im Sinne einer abschließenden Differenzrechnung zu überprüfen: Wie ausgeführt, darf der Selbstbehalt nie unterschritten werden. Ergibt sich nach Abzug der Unterhaltsverpflichtung vom bereinigten Nettoeinkommen ein Betrag, der unterhalb des Selbstbehaltes liegt, ist der Unterhaltsanspruch entsprechend zu kürzen. Dies dürfen wir an einem Beispiel verdeutlichen:
Nettoeinkommen 1.100 €
Unterhaltsanspruch: 150 € (1.100 € – 317 € = 783 € – Selbstbehalt 950 €)
Bereinigtes Nettoeinkommen: 1.100 € minus Selbstbehalt 950 € = 150 €
Gibt es nicht lediglich einen, sondern mehrere gleichrangig Unterhaltsberechtigte, ist dieser Betrag noch einmal um die Anzahl der Personen zu kürzen.
III. Ehegattenunterhalt
1. Bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes ist zwischen dem sogenannten
a) Elementarunterhalt
b) und dem nachehelichen Unterhalt
zu unterscheiden.
Der Elementarunterhalt betrifft den Zeitpunkt zwischen Trennung und Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens; der nacheheliche Unterhalt den Zeitpunkt ab Anhängigkeit der Scheidung. Dabei wird die Anhängigkeit durch Einreichung des Scheidungsantrages herbeigeführt.
2. Der Elementarunterhalt
Für die Zeit zwischen Trennung und Anhängigkeit der Scheidung ist grundsätzlich der Lebensstandard zu sichern, der bei Fortbestand der ehelichen Lebensverhältnisse bestanden hätte.
a) Dabei ist zunächst für jeden Ehegatten gesondert das bereinigte Nettoeinkommen zu ermitteln.
Bei der Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens dürfen wir verkürzend auf die vorstehenden Feststellungen zu II. Ziffer 8. verweisen.
Zu beachten ist:
Anders als beim Kindesunterhalt gestattet der Gesetzgeber eine weitere Möglichkeit des Abzuges von Darlehensverbindlichkeiten. Ausreichend ist, dass diese zur Sicherung einer gemeinsamen Existenz und zur Sicherung eines gemeinsamen Heimes aufgenommen wurden.
b) Das Einkommen ist ggf. um weitere Positionen zu erhöhen. Beispiel: erhöhen Trinkgelder in Gastronomieberufen das zu berücksichtigende Einkommen.
c) Da der Unterhalt minderjähriger Vorrang vor dem Unterhalt des Ehegatten und der volljährigen Kinder genießt, ist in einem weiteren Schritt das bereinigte Nettoeinkommen um die Kindesunterhaltsverpflichtung zu bereinigen.
d) Ergibt sich danach ein bereinigtes Nettoeinkommen, das oberhalb des Selbstbehaltes liegt, ist der Unterhaltsanspruch vereinfacht ausgedrückt durch folgende Formel zu ermitteln:
„3/7 x (Einkommen unterhaltsverpflichteter Ehegatte – Einkommen unterhaltsberechtigter Ehegatte)“.
e) Wie beim Kindesunterhalt der Fall, ist dann im Wege der Rückrechnung festzustellen, ob hierdurch die Selbstbehaltsgrenze nicht unterschritten wird. Anders als beim Kindesunterhalt beträgt dieser gegenüber dem Ehegatten derzeit 1.050 €.
Hinweisen dürfen wir darauf, dass es über diesen klassischen Unterhaltsanspruch hinaus Anspruch auf Erstattung des sogenannten „trennungsbedingten Mehrbedarfs“ gibt. Darunter versteht man z. B. die Kosten für die Neueinrichtung einer Wohnung – hier konkret speziell der Haushaltsgeräte, wie Kühlschrank, Waschmaschine etc.
3. Der nacheheliche Unterhalt
a) Ab Anhängigkeit der Scheidung ist der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich zur Annahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet.
Diese sogenannte „Erwerbsobliegenheit“ gilt auch bei der Betreuung von Kindern.
Nur in den Fällen, in denen eine ausreichende Absicherung nicht gegeben ist, kann eine Unterhaltsverpflichtung erwachsen.
Neben dem Elementarunterhalt ist dann zusätzlich der sogenannte „Vorsorgeunterhalt“ zu zahlen.
b) In einem ersten Schritt wird das für den Vorsorgeunterhalt relevante Bruttoeinkommen ermittelt. Dies geschieht dergestalt, dass man in Abhängigkeit vom Trennungsunterhalt / Elementarunterhalt einen Zuschlag nach der Bremer Tabelle addiert.
c) Hieraus wird dann in einem zweiten Schritt der sogenannte „fiktive Rentenversicherungsbeitrag“ von derzeit 19,9 % ermittelt.
d) Neben dem Vorsorgeunterhalt ist in einem zweiten Schritt der Elementarunterhalt zu korrigieren.
Dies geschieht nach der Formel:
„3/7 x (Einkommen unterhaltsverpflichteter Ehegatte – Einkommen unterhaltsberechtigter Ehegatten – Vorsorgeunterhalt)“.
Die Addition von Vorsorgeunterhalt und korrigiertem Elementarunterhalt ist der Trennungsunterhalt ab Anhängigkeit der Scheidung und der nacheheliche Unterhaltsanspruch.